24. - 30. April, 1998
Africa Light
Rezension von Sabine Vogel
»Pinkeln verboten. S'il vous plait« steht an der sandfarbenen Mauer gegenüber des Kulturhauses. Im Garten wird Saft ausgeschenkt. Er schmeckt wie von der Mutter des Premierministers selbst ausgepresst, und wie es heißt, hat sie auch das Monopol dafür. Bezahlt wird über Coupons, die man bei einer Gruppe biertrinkender Männer an einem anderen Tisch unter einer der zerzausten Palmen erhält. Dak'Art 1998

Internationale Jury

Parallele Veranstaltungen

Publikation


Bis vor einem Jahr diente das Maison de Culture noch als Domizil für einen in Ungnade gefallenen Politiker, der hier seinen langjährigen Hausarrest nobel absaß. Noch sind die meisten Büros der zukünftigen Abteilungen unmöbliert, aber Baba Ibnou, der Präsident der neuen Kulturinstitution und sein Propagandabeauftragter sind umso erfüllter von ihrer Mission: Kommunikation, Kultur, Kontakte. Es gibt noch kein Faxgerät, aber immerhin eine repräsentative Couchgarnitur im Chefzimmer. Der große Versammlungsraum, in dem die Konferenzen der Biennale abgehalten werden, ist airconditioned und hat eine funktionierende Simultanübersetzungsanlage. Cyprien Tokoudagba

Cyprien Tokoudagba
(Benin)
Die Dakar Biennale ist international. Künstler aus ganz Afrika können sich bewerben und eine fünfköpfige Jury aus Kuratoren entscheidet über die Einladungen an die Teilnehmer. Ausnahmen werden gemacht. Nicht ausschließlich alle der in diesem Jahr beteiligten Künstler wohnen wirklich in Afrika. Und nicht alle wußten von ihrer Bewerbung. Gewisse Entscheidungsfreiheiten billigte man den Kuratoren zu, denn viele der mittlerweile erfolgreichen afrikanischen Künstler würden sich vermutlich nie selbst bewerben. Affirmative Zuwendungen der EU ermöglichten diese dritte panafrikanische Kunstbiennale mit rund 40 bildenden Künstlern in der Hauptausstellung, fünf Einzelselektionen und einem breiten Rahmenprogramm. Die ganze Veranstaltung ist kostengünstig auf eine Woche komprimiert. Danach versinken Dakar und seine berühmte Sklaveninsel Gorée wieder in die lasziv verschlafene Apathie des afrikanischen Alltags.  
Der Preis der Jury ging an Viye Diba, einen renommierten Künstler aus Senegal, für seine wüstenfarb-monochromen Leinwände, auf denen an Fetische erinnernde Säckchen hängen. »Das ist doch genauso gut wie Polke«, begeistert sich der europäische Kurator Alfons Hug, Ex-Bereichsleiter des Hauses der Kulturen der Welt. »Hier ist alles immer so dekorativ«, bemängelt hingegen die Züricher Kunstkritikerin Kojo aus Kamerun. Im Gegensatz zur Agressivität der Johannesburg Biennale, die sich im letzten Jahr mit einer völlig an New Yorker Kunstmarktkriterien orientierten Internationalität und der Ignoranz des Lokalen ins höchstwahrscheinliche Aus katapultiert hat, dominiert in Dakar die friedlich bunte Harmlosigkeit und eine heitere Freundlichkeit. In aller Bescheidenheit und Unaufgeregtheit beweisen die afrikanischen Kunstwerke in Dakar selbstbewußt das Versagen des kolonialen Blickes. Defense D'Uriner S.V.P. Viye Diba

Viye Diba
(Senegal)
Die »Question d'Identité« (Identitätsfrage) von Dominique Zinkpe aus Benin, ein opulenter Voodoo-Altar, erinnert so auch eher an Nougatpralinen denn an geronnenes Opferblut. Die bleichen Knöchlein der typisch modern-afrikanischen Assemblagen zitieren das gleißende Sonnenlicht der Sanddünen und den badewannenwarmen salzigen Ozean mehr als den Tod. Statt der Kabakov'schen Slumhütte des Südafrikaners Pat Mautloa, der zwar eingeladen aber irgendwie doch nicht da war, hängen nun die Türblätter von Tiébéna Dagnogo als malerisch aufbereitete Kompositionen an der Wand. Der in Paris und darüberhinaus längst begehrte Maler Chérie Samba malt nun Chérie Samba beim Geldzählen angesichts des Preisverfalls seiner Bilder. Senegal, das ist »Africa light«, bringt der Goethe-Institutsleiter Franke die Stimmung auf den Punkt. In Dakar gibt es Baguettes, doppellagiges Clopapier, ein paar bettelnde großäugige Kinder und den sportlichen Stress um die Taxigebühren.  
Im Grunde sind Kunst und Ästhetik des Alltags in Dakar harmonisch, schmerzfrei, malerisch und archaisch-abstrakt. Der afrikanische Modernismus aus armen Materialien, object trouves der Alltagsmythologie und einem Hang zum Gefälligen findet in Viye Diba ihren Meister und wird auch sonst selbstbewußt gepflegt und ausgelebt. In einer anderen Rahmenausstellung in einer Dependance des Goethe-Instituts wird den Hölzchen- und Stöckchenobjekten des senegalesischen Bildhauers Camara gehuldigt. Auch hier eitel Feingeist und schöner Wohlklang auf Sandboden. Diplomaten, Botschafter und andere Prominente aus Kultur und Gesellschaft machen ihre Aufwartung. Rote Punkte lassen auf die Existenz eines lokalen Kunstmarktes schießen. Die Gasse ist mit Mercedes-Limousinen vollgestellt, die Hausfassade gegenüber mit gemusterten Plastikmatten verkleidet und die westeuropäischen Gäste knipsen sie als Beispiel eines senegalesischen Christo ab. Dakar ist pittoresk, ein wenig schulterfreier Orient, die Farben für einen Klee auf Tunisreise abgestimmt, ein wenig pinkfarbene Sklaveninselfolklore, viele unwiderstehliche Glasperlenverkäuferinnen. Dakar ist Design! Folgerichtig wurde die Kunstausstellung neben unzensierten Kunstmärkten und einem Cultural Village, das Produkte von Selbsthilfekollektiven und aus dem Knast feilbot, auch von einer schicken Möbel- und Textildesignausstellung begleitet. Betonstühle auf körnigem Salz, subtile Trash-Ästhetik und ein feinsinnig applizierter Afrolook verliehen der Designshow ein schon fast verdächtiges Pariser Flair. Denn kaufen können sich diese schrillen Chaiselongues aus Moniereisen und Ethnodruck die Einheimischen nicht. Für die findet der Markt auf den engen, lärmenden Straßen statt, in denen der europäische Tourist unter dem Dauerbeschuß des Konsumkriegs erliegt. Jeden Abend des einwöchigen Biennale-Spektakels fand eine Modenschau mit schrillen Kreationen und theatralischen Performances der jüngsten Talente von Mauritius bis zur Elfenbeinküste in einem Szenerestaurant statt. Gefeatured und medial abgefeiert wird die avantgardistische Body-Art nicht allein von den schaulustigen und exotismussüchtigen Gästen, sondern auch von der Pariser Kunstzeitschrift Revue Noire, die freilich ihre Existenzberechtigung als Gazette des kontinentalen Ghettos auch auf die Jahrtausendwende hin terminiert. Serigne Mbaye Camara

Serigne Mbaye Camara
(Senegal)


Alassane Drabo

Alassane Drabo
(Algerien)
Afrika? Wer ist das? Antonio Olé, der Künstler aus Luanda, hat neben seiner Arbeit auch die Installation des Kubaners Kcho auf Gorée aufgebaut, weil jener wie üblich verhindert war. Für Afrika will und kann er nicht sprechen. Er lacht. Angola und seine Geschichte machen ihm schon genug zu schaffen. Er hofft, dieses Kapitel bis zur Jahrtausendwende abzuschließen. Außerdem bearbeitet er nebenbei noch seine jüdische Herkunft. Letztes Jahr hat er im Rahmen von »Remote Connection« in Jerusalem ausgestellt. Afrika? Eine Autostunde von Dakar entfernt lebt eine Künstlerkommune im Niemandsland der ozeannahen Wüste und versucht, sich in Sozialprojekten mit den Einwohnern der umliegenden Dörfer nützlich zu machen. Sie laden uns zum Essen ein. »Wir nehmen kein Geld«.

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Gerhard Haupt & Pat Binder, 1998. Text: Sabine Vogel

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