Übersetzung:
Kapstadt, Südafrika, 11. Februar 1990
Nelson Mandela wird nach 28 Jahren brutaler Behandlung durch das Apartheidregime aus dem Gefängnis entlassen. Die Bilder seiner Entlassung, die weltweit live gesendet werden, zeigen einen Mann, der wie geblendet ins Licht blinzelt.
Mehr als die Hälfte seiner Haftzeit verbrachte Mandela auf Robben Island, einem Wind gepeitschten Felsen mitten in den tückischen Strömungen des Kaps der Guten Hoffnung. Die nur sieben Meilen von Kapstadt entfernte Insel diente seit 1959 als Hochsicherheitsgefängnis für "nicht weiße" Männer. Unter Mandelas Mitgefangenen waren Walter Sisulu, Ahmed Kathrada und Govan Mbeki, der Vater des heutigen südafrikanischen Präsidenten Thabo Mbeki. Später sagte Mandela, Robben Island "sollte uns zu Krüppeln machen, damit wir nie wieder die Stärke und den Mut aufbrächten, unseren Idealen zu folgen".
Im Sommer 1964 wurden Mandela und seine Mithäftlinge aus dem Isolationsblock aneinander gekettet zu einem Steinbruch in der Mitte der Insel gebracht, wo sie Stein brachen und Kalk abbauten. Mit dem Kalk wurden die Strassen der Insel geweißt. Am Ende des Tages waren auch die schwarzen Männer durch den Kalkstaub weiß geworden. Während der Arbeit reflektierte der Kalkstein das Sonnenlicht und blendete die Gefangenen. Ihre wiederholt vorgebrachten Forderungen nach Sonnenbrillen zum Schutz der Augen wurden abgelehnt.
Es gibt kein Photo, das Mandela am Tag seiner Entlassung aus dem Gefängnis weinend zeigt. Man sagt, das blendende Licht des Kalksteins hätte ihm die Fähigkeit zu weinen genommen.
© Übersetzung: Documenta 11 |