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Zuleiva Vivas

Biographische Daten

Ich denke, gerade für diejenigen von uns, die nicht bei der ARCO 97 (Kunstmesse im Februar in Madrid, dieses Jahr mit Lateinamerika als Schwerpunkt - d.Ü.) gewesen sind, war es wichtig und nützlich, die 6. Biennale von Havanna zu besuchen. Dort bot sich die Gelegenheit, Werke derjenigen Künstler zu sehen, die auch die Aufmerksamkeit des europäischen Publikums gefunden haben.

Das vom Kuratorenteam des Centro Wifredo Lam ausgewählte Thema stand im Einklang mit dem Prozeß, der sich heutzutage in Kuba abspielt. Die Reflexion über das Individuum und sein Gedächtnis hat eine doppelte Bedeutung: es wird danach gefragt, wer wir sind und an was davon wir uns überhaupt erinnern können. Die Gegenüberstellung berühmter und weniger bekannter Künstler, die aber ebenso mit aktuellen Techniken und Diskursen umgehen können, entmystifiziert einige dominierende Kriterien in Bezug auf Rang und Qualität. Es zeigt sich, daß diese sehr oft von den kommeriellen Mächten aufgezwungen oder von den Meinungen derjenigen bestimmt sind, die einen »kulturellen Adelstitel« tragen.

Obwohl wir wissen, daß die Auswahl auf den Entscheidungen der Kuratoren beruht, wirkte sie doch offener und demokratischer. Sie entfernte sich sogar von der Absicht, »nur Künstler aus der Dritten Welt« einzubeziehen, indem sie unter anderem Künstler aus der Ersten Welt, wie zum Beispiel Christian Boltanski, aufnahm.

Was die Qualität der Auswahl betrifft, so gab es einige unnötige Unausgewogenheiten. Ich denke aber, das hatte damit zu tun, den »demokratischen« Aspekt der Auswahl zu betonen. Letztlich wissen wir, daß solche Veranstaltungen neben der künstlerischen auch eine politische Seite haben. Die Biennale hat eine wichtige Bedeutung erlangt und muß dafür auch zahlen.

Für mich war es eine große Überraschung, auch Künstler aus Aruba zu treffen. Wir Venezolaner können die Insel von unserer Küste aus sehen, trotzdem kennen wir ihre Kunst kaum. Das veranlaßte mich, erneut über die Situation der Länder Südamerikas nachzudenken, die »sich gegenseitig den Rücken zuwenden und immer nur in Richtung Norden und Westen blicken«.

Die Entwicklung der kubanischen Künstler ist bewundernswert. Sie beherrschen den Diskurs, die Technik und wie man es erreicht, daß seine Werke international zirkulieren. Das ist etwas, was man in den anderen Ländern Südamerikas nicht so leicht sieht. Wenn die Künstler nicht von einer Galerie unterstützt werden, erscheinen sie überhaupt nicht.

Die Organisatoren der Veranstaltung haben uns in jedem Moment spüren lassen, wie anstrengend es ist, die Biennale zu realisieren. Ich denke, das wäre nicht nötig gewesen. Wir wissen das alles und bewundern sie dafür. Sie beeindruckten uns auch mit einem attraktiv gestalteten Katalog (durch die Auswahl der Typographie ist der Text allerdings schwer zu lesen), woran man die Unterstützung durch andere Ländern und ihren eigenen Gewinn an Erfahrung erkennen kann. Es war angenehm, Alt-Havanna zu durchstreifen und die Restaurierung der Architektur zu bewundern. Im Grunde waren es zwei Rundgänge in einem: ein touristischer und ein künstlerischer.
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Zuleiva Vivas: Kuratorin und Forscherin, lebt in Caracas. Zur Zeit Direktorin für Visuelle Künste des Zentrums für Lateinamerikanische Studien Romulo Gallegos (CELARG). Vertreterin Venezuelas in internationalen Konferenzen und Veranstaltungen, wie z.B. Hall K-18, Universität Kassel bei der 8. Dokumenta, und kürzlich an der 6. Biennale von Havanna. Veröffentlichungen in verschiedenen Zeitschriften in ihrem Land und in Katalogen lateinamerikanischer Kunst.

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©  Text: Zuleiva Vivas.  Übersetzung, Website:
Universes in Universe - Pat Binder, Gerhard Haupt.  Email