Was wird von SB2006 zu erwarten
sein?
Interview mit Generalmanager Low Kee Hong
Von G. Haupt & P. Binder, Universes in Universe |
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Universes in Universe: Wie kam es dazu, dass es nun
auch in Singapur eine Biennale geben wird, und wer sind die Veranstalter?
Low Kee Hong: Der National Arts Council (NAC) [1] hat schon seit längerem
vor, hier eine internationale Biennale auszurichten, aber weder das
Budget noch die nötigen Bedingungen waren vorhanden. 2004 gab es
eine Vorläuferveranstaltung, das Festival für die visuellen
Künste Südostasiens und Asiens SENI [2]. Veranstalter waren
der NAC und das National Heritage Board (NHB) [3], die beide dem Ministerium
für Information, Kommunikation und die Künste angehören.
Die Singapur Biennale 2006 wird vom NAC in Kooperation mit dem NHB ausgerichtet.
Im September 2006 wird Singapur im Rahmen der Verbundveranstaltung
"Singapur 2006: Globale Stadt. Welt der Möglichkeiten"
Gastgeber der Jahrestreffen der Gouverneursräte des Internationalen
Währungsfonds (IWF) und der Weltbankgruppe sein. Allein dazu werden
etwa 16.000 Delegierte, Beobachter und Medienvertreter erwartet. Es
finden diverse parallele Treffen und Veranstaltungen statt, für
die spezielle Budgets zur Verfügung gestellt werden. Dadurch entstand
eine günstige Gelegenheit für den Start der Singapur Biennale,
die nicht nur die notwendigen finanziellen Zuschüsse erhält,
sondern auch von der weltweiten Beachtung für "Singapore 2006"
profitieren wird.
Natürlich sollen solche großen Ereignisse
wie die Biennale das internationale Publikum erreichen und die Anerkennung
der Kunstkritik finden, doch für uns sind die Einwohner von Singapur
eine sehr wichtige Zielgruppe. Die zeitgenössische Kunst hat bei
uns nur eine kurze Geschichte, und das schließt deren Rezeption
durch ein breiteres Publikum ein. Die Biennale soll den Menschen in
Singapur das aktuelle internationale Kunstgeschehen näherbringen
und sie dafür begeistern. Sollte sie hier im Lande nicht die erhoffte
Resonanz finden, wird sie kaum fortgesetzt werden können. |
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UiU: Der Name "Biennale" ergibt erst dann
einen Sinn, wenn ein solches Ereignis periodisch, alle zwei Jahre, stattfindet.
Würde es nur bei einer ersten Edition bleiben, könnte sich
das von dieser aufgebaute positive Image in das Gegenteil verkehren.
Wie sichern Sie ab, dass es nicht dazu kommt und es auf jeden Fall auch
ohne einen solchen hochkarätigen Anlass wie "Singapur 2006"
eine zweite und weitere Editionen geben wird?
LKH: Wie bei allen neuen Plattformen ist das eine Frage der Nachhaltigkeit,
und die wollen wir auf verschiedene Weise erreichen. Wir hoffen, dass
unsere jetzigen Partner bei der Finanzierung der Biennale nicht nur
die erste Edition unterstützen werden. Wie viele andere Kunstereignisse
in Singapur, so erhält auch die Biennale einen Teil ihres Budgets
von der Regierung und den Rest von privaten Sponsoren. Diesen Partnern
müssen wir gute Gründe geben, bei einer zweiten, dritten und
hoffentlich noch mehr Editionen ebenfalls mitzumachen.
Wir wollen auf keinen Fall, dass die Biennale wie ein
Raumschiff in Singapur landet, nach zwei Monaten wieder abfliegt und
keinerlei Spuren hinterlässt. Wenn wir so viele Kuratoren und Künstler
aus aller Welt in die Stadt holen, soll das zur Stärkung der nationalen
Kunstszene beitragen. Die Kunstprozesse in Singapur können dadurch
wichtige konzeptionelle Impulse erhalten, und ganz sicher werden viele
neue Kontakte und Affinitäten entstehen, die dem hiesigen Kunstgeschehen
zu größerer internationaler Präsenz verhelfen. Und es
entsteht eine "Kunstwelt"-Infrastruktur, die der Kunstszene
und der Vermittlung der Kunst in Singapur dauerhaft von Nutzen sein
wird.
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UiU: Warum glauben Sie, dass Singapur ein guter Standort
für eine internationale Biennale ist? Warum sollte die Karawane
der Kunstspezialisten, Künstler, Sammler, Kunstfreunde, die eigentlich
nur zu den Großereignissen zieht, die im internationalen Kunstbetrieb
gerade angesagt sind, nun auch noch in Singapur Halt machen? Immerhin
gibt es schon weit über hundert Biennalen und Triennalen in aller
Welt, und nur ein relativ geringer Teil davon schafft es, in die Hauptroute
dieser Karawane einbezogen zu werden.
LKH: Singapur hat eine günstige geostrategische Lage, ist über
Asien hinaus eine der wichtigsten Wirtschaftsmetropolen, mit jährlich
über 8,3 Millionen Besuchern ein beliebter Anlaufpunkt für
Touristen und Geschäftsreisende und in vielen Bereichen bereits
ein internationaler Treffpunkt. Da es eine vitale Kunstszene und eine
institutionelle Infrastruktur mit engen Beziehungen zu den Nachbarn
in Südostasien und vielfältigen Kontakten in alle Welt gibt,
besteht guter Grund zu der Hoffnung, dass sich hier ein neues Kunstereignis
von Weltrang etablieren lässt.
Von periodischen Ausstellungen anderswo wird sich die Singapur Biennale
unter anderem dadurch wesentlich unterscheiden, wie sie den hiesigen
Kontext einbezieht und ihn den Besuchern als eine einzigartige Erfahrung
vermittelt. Und dieser Kontext ist sehr attraktiv. Eine der Besonderheiten
besteht in dem Gemisch aus verschiedenen Kulturen, Ethnien, Glaubensrichtungen
auf einem ziemlich kleinen Gebiet. Man kann hier schnell in die kulturelle
Vielfalt Asiens eintauchen, sie auf einem Spaziergang durch die Stadt
sehen, hören, riechen, schmecken. Singapur ist eine junge Nation
mit einem rasanten Wachstum. Die Situation bei uns kommt einem manchmal
vor wie ein Experiment in einer Petrischale, bei dem man zuschauen und
miterleben kann, wie sich Kulturen entwickeln und entfalten. Und da
Englisch die Amtssprache ist, können sich Besucher von außerhalb
die Stadt leicht erschließen.
Singapur wird häufig als Schnittstelle zwischen
Ost und West bezeichnet. Es ist das Tor zu Südostasien, und das
soll sich in der Biennale niederschlagen. Auch wenn Künstler aus
der ganzen Welt teilnehmen werden, ist die Kunst in Singapur und Südostasien
ein wichtiger Fokus - ein weiterer Aspekt, der die Biennale für
die internationale Kunstszene interessant macht.
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UiU: Können Sie schon genauer sagen, was die Besucher
der Singapur Biennale erwartet, z.B. welche Ausstellungsorte es geben
wird?
LKH: Derzeit planen wir 12 bis 15 Ausstellungsorte [5]. Wenn man die
gesamte Biennale besichtigen will, wird man 2 bis 3 Tage brauchen. Dann
hätte man aber Zeit genug, die Kunst und selbst die Videos in Ruhe
anzuschauen, auf dem Weg von einem Ort zum anderen die Atmosphäre
der Stadt auf sich wirken zu lassen und sich zwischendurch auch mal
auszuruhen. In dieser Hinsicht ist es ein Vorteil, dass Singapur verhältnismäßig
klein ist. Gerade angesichts des Themas "Belief" (Glaube)
[6] wollen wir das Publikum nicht zur Eile nötigen, sondern sein
Tempo vielmehr verlangsamen, damit Zeit zur Reflexion bleibt. Das steht
im Gegensatz zum normalen, hektischen Lebensrhythmus in Singapur, aber
die Biennale soll eben nicht nur den ausländischen Gästen
einen Zugang zu wenig bekannten Seiten der Stadt eröffnen, sondern
die Einwohner selbst Aspekte ihrer Stadt neu entdecken lassen, die hinter
der glitzernden Fassade oft vergessen werden.
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Für die einheimischen und die auswärtigen Besucher
gleichermaßen interessant werden mehrere sehr ungewöhnliche
Ausstellungsorte sein. Dazu gehören historische Bauten, wie das
Tanglin Camp, das im 19. Jahrhundert als Truppenunterkunft errichtet
und noch bis vor kurzem vom Militär als medizinische Einrichtung
genutzt wurde. Es sollte dem größten Teil der männlichen
Bevölkerung Singapurs bekannt sein, die dorthin zur Musterung für
Militärdienst einbestellt wurde, der hier für alle Männer
zwischen dem 18. und 21. Lebensjahr obligatorisch ist. |
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Unmittelbare Assoziationen zu einer der offensichtlichsten
Interpretationen des Themas "Belief" wird die Einbeziehung
einer Reihe religiöser Stätten mit sich bringen. Bereits sicher
sind ein chinesischer und ein Hindu-Tempel und die Armenische Kirche.
Anfangs war ich mir nicht sicher, ob die Gemeinden für unsere Kooperationsanfragen
offen sein würden. Immerhin geht es dabei um Gebetsstätten,
die als heilig gelten. Doch die Antworten waren äußerst ermutigend.
Natürlich muss bei der Zusammenarbeit mit den verschiedenen Gemeinden
tiefer Respekt gewahrt bleiben. Deren Mitwirkung und Anregungen sind
für die dort zu platzierenden Kunstwerke wesentlich. Weitere religiöse
Stätten anderer Glaubensrichtungen werden demnächst hinzukommen.
Bei der Platzierung von Werken der Biennale in diesen religiösen
Stätten geht es uns keineswegs um den spektakulären, sensationalistischen
Effekt. Wir hoffen ganz im Gegenteil, den Besuchern die Chance zu geben,
Singapur in seiner multi-religiösen und multi-ethnischen Komplexität
zu erleben. Indem wir Gelegenheiten zur Interaktion mit den Gemeinden
verschiedener Glaubensrichtungen und Kulturen schaffen, möchten
wir das gegenseitige Verständnis, die Kommunikation und Reflexion
darüber verbessern. Wenn ich zum Beispiel ein Christ bin, gibt
es für mich normalerweise keinen Grund und keinen Anlass, einen
hinduistischen Tempel zu besuchen. Aber wenn ich während der Biennale
dort ein Kunstwerk sehen will, muss ich eine Art sozialer Vereinbarung
mit der Gemeinde eingehen und dabei meinen Respekt bezeugen. Die Tatsache,
dass ich vor dem Betreten des Tempels meine Schuhe ausziehen muss, ist
schon ein erster Schritt hin zu einer solchen Übereinkunft. Die
Biennale soll in dem ihr möglichen, bescheidenen Maße dazu
beitragen, dass besser verstanden wird, woran die eigenen Mitbürger
glauben und was es für die verschiedenen Religionen bedeutet, in
diesem kleinen Stadtstaat dicht nebeneinander friedlich zu koexistieren.
Darüber hinaus wollen wir mit der Kunst in den öffentlichen
Raum an Orte gehen, an denen sich viele Leute aufhalten, wie etwa die
Orchard Road, die am meisten frequentierte Einkaufsstraße. Es
sollen auch permanente Installationen entstehen. Gemeinsam mit Partnern
wollen wir 7 bis 8 solcher Werke in einem neuen Gebäude in Auftrag
geben. Sie sollen Spaß machen, leicht zugänglich sein und
sich wesentlich von der Art öffentlicher Kunst unterscheiden, die
man in Singapur für gewöhnlich zu sehen bekommt.
Besonders in der Eröffnungswoche wollen wir vielfältige
Möglichkeiten der Begegnung mit den anwesenden Künstlern schaffen.
Normalerweise sieht das Publikum einer Biennale nur das Endprodukt eines
künstlerischen Prozesses, doch wir möchten, dass es mehr über
den Prozess selbst und dessen Akteure erfährt. Es geht nicht nur
um die Ausstellung selbst, sondern die Leute sollen schon auf dem Weg
dorthin angesprochen und einbezogen werden. Deswegen legen wir im Vorfeld
und während der gesamten Laufzeit der Biennale großen Wert
auf Bildungsprogramme. Die Reihe "Encounters" (Künstlergespräche,
Dialoge, Workshops, Foren, etc.), die im Juli 2005 gestartet wurde,
soll dazu beitragen. Um bis zum Ende der Biennale andauerndes Interesse
aufrecht zu erhalten werden während der zweieinhalb Monate größere
Veranstaltungen stattfinden.
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UiU: Bieten Sie den Interessenten von außerhalb
spezielle Pakete für die Reise zur Biennale an? Welche Orientierungshilfen
geben Sie den Besuchern?
LKH: Ja, es wird die Möglichkeit geben, ein Gesamtpaket zu buchen,
das alles enthält: die Flugtickets, Abholung vom Flughafen, Hotels
verschiedener Kategorien, Eintritt in die Ausstellungen, Teilnahme an
den Veranstaltungen etc.. Etwas später werden wir dafür eine
spezielle Untersektion der Biennale-Website einrichten.
Aber es sei nochmals darauf hingewiesen, dass es sehr leicht ist, sich
in Singapur zu bewegen. Alle Hinweise sind in Englisch, jeder spricht
Englisch, die Ausstellungsorte sind in einer relaltiv kleinen Zone des
Stadtzentrums konzentriert, zwischen den meisten kann man sich zu Fuß
bewegen, es gibt aber auch Shuttle-Busse, und die Biennale richtet Informationspunkte
ein, an denen man sogar Erfrischungen bekommt. Und sehr wichtig ist,
dass man in Singapur nicht um seine Sicherheit fürchten muss.
Wir wollen den Besuch der Biennale so leicht und so
angenehm wie möglich machen. Natürlich wird es neben dem Katalog
einen Kurzführer mit Stadtplan geben. Darüber hinaus planen
wir einen Audioguide, den man mit seinem eigenen Mobiltelefon über
eine spezielle Nummer abruft, um dann auf dem Weg von einem Ort zum
nächsten bestimmte Geschichten und Erläuterungen zu hören.
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UiU: Singapur steht in dem Ruf, eine strikt geordnete,
nahezu aseptisch saubere Stadt zu sein. Nun vermitteln aber das Logo
und das grafische Erscheinungsbild der Biennale einen ganz anderen Eindruck.
Wie ist das zu verstehen?
LKH: Für uns ist es sehr wichtig, dass jedes Erscheinungsbild
der Biennale, mit dem das Publikum in Kontakt kommt, durch einen Künstler
gestaltet bzw. gefiltert wurde. So baten wir Agathe De Bailliencourt,
eine in Singapur lebende französische Künstlerin, einige Werke
zu schaffen, die den Grafikdesignern als Grundlage für ein Gestaltungskonzept
dienten [7]. Mit diesem spontanen, mit schneller Hand dahingemalten,
an Graffitis erinnernden Duktus möchten wir auf Dimensionen hinweisen
und neugierig machen, die man in Singapur nicht gerade für möglich
gehalten hätte. Das sind die vielen Brüche und Nischen, die
es zu entdecken gibt, das Unerwartete, Vielschichtige, Krude, das zu
Singapur gehört und doch selbst hier kaum bewusst wahrgenommen
wird. Deshalb wollen wir die Bewohner Singapurs ermuntern, sich in ihrer
eigenen Stadt auf Entdeckungsreise zu begeben. Hinter diesem grafischen
Erscheinungsbild steht außerdem unsere Intention, die Kunst mit
der visuellen Kultur der Straße zusammen zu bringen, ihre Präsenz
im öffentlichen Raum und im täglichen Leben zu unterstreichen
und das Interesse und die Anteilnahme des breiten Publikums zu erlangen.
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UiU: Besteht aber nicht die Gefahr, dass der Anlass,
der den Start der Biennale in diesem Jahr erst möglich macht, also
das Treffen des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbankgruppe,
diese Offenheit eher behindert? Während solcher Treffen werden
die Austragungsorte für gewöhnlich zu Hochsicherheitstrakten
und Kritik ist nicht gerade willkommen. Werden in der Singapur Biennale
kritische Stimmen über das Gebaren der obersten Finanzinstitutionen
dieser Welt erlaubt sein?
LKH: Das Jahrestreffen des IWF und der Weltbankgruppe findet ja erst
vom 11. bis 20. September 2006 statt und wird von daher die Vorbesichtigung
und Eröffnung der Singapure Biennale (vom 1. bis 4. September)
auf keinen Fall behindern. Und da die Biennale bis zum 12. November
dauert, sind ein paar Tage mit erhöhten Sicherheitsvorkehrungen
in der Stadt durchaus zu verkraften. Unsere Ausstellungsorte sind ohnehin
außerhalb der Gebiete, in denen die Finanztreffen stattfinden
werden.
Die Kuratoren und Veranstalter der Biennale haben nicht die Absicht,
irgendwelche Kritik am IWF und der Weltbankgruppe zu unterdrücken,
obschon es dafür sicher bessere und effektivere Plattformen als
eine solche Kunstausstellung gibt. Immerhin steht diese unter einem
eigenen Thema, das mit dem Finanzgipfel nichts zu tun hat, und die Werke
der Künstler sind auf der Grundlage eines konkreten kuratorialen
Konzepts ausgewählt worden.
Ohne Zweifel gehört es zu den Aufgaben von Kunst, sich kritisch
mit unseren sozialen Strukturen und Lebensräumen auseinanderzusetzen,
aber ich denke, heutzutage wird zuviel gejammert, gegeneinander gekämpft,
einander beschuldigt und zu wenig nach Lösungen gesucht. Die ganze
Energie, die aufgebracht wird, Konflikte anzuzetteln, aggressiv zu sein,
mit dem Finger auf andere zu zeigen, könnte viel sinnvoller für
die Suche nach Lösungen eingesetzt werden. Auch das ist etwas,
was wir mit der Biennale hervorheben möchten.
Links:
(Aus dem Englischen: Binder & Haupt)
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