I Der Gegenstand: die vom Zweck befreiten Fesseln, die das repräsentieren, was sie als Rahmen sonst zu schützen und zu steigern (veredeln) haben. Jetzt entblösst: das nackte Material, skelettartig, gerüstähnlich. Die Rahmenelemente können auch eine in Buch-staben gefasste Schrift (lettres) bilden, Botschaften und Nachrichten. Den Rändern entlang arbeiten Aber wie? Was passiert,
wenn ein Mehrwert verrückt spielt, weil der Rahmen (die Begrenz-ung,
Ausgrenzung) den Preis (die Wertschätzung) markiert? Beim Wort nehmen
Das Unmögliche machen und den Rahmen einhalten - oder den Rahmen sprengen? Behauptung: Das
Bildverbot wird beispiellos bleiben. Es wurde, einmal ausgesprochen,
sofort unterlaufen oder nie radikal durchgehalten. Die Schrift-Kunst
zum Beispiel ist eine der eindruckvollsten Kunstformen, ob es sich um
japanische, hebräische, chinesische Schriftzeichen oder um Schriftzeichen
aus irgendeinem Land handelt. Das Bildverbot wird, uneingelöst, trotzdem bei-spielslos bleiben, weil die Idee nicht mehr verschwinden wird.
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II
Das im Projekt verwendete Material - Rahmen und Rahmenelemente-, werden die Umrandung nicht radikal sprengen können. Oder nur als Konzept. Jedes einzelne Rahmenelement ist ein Virus, der das Bild zurückbringt. Jedes einzelne Element am Boden oder an einer Wand wird zum Bild.
Das gleiche im Wort.
Wir sind wie eh präsent: im Wort. Im Bild. Als Körper. Rahmen signalisieren Umgrenzungen Als vorgegebene Rahmenlemente haben sie Signal- , beziehungsweise Zeichencharakter. Gregory Bateson in seiner Ökologie des Geistes (Steps to an Ecology of Mind), nimmt die Fragen seiner Tochter auf: Tochter: Pappi, warum haben Dinge Konturen? Vater: Haben sie? Ich weiss nicht. An was für Dinge denkst du? Tochter: Ich meine, wenn ich Dinge zeichne, warum haben sie Konturen? Vater: Gut, was ist mit andern Dingen - etwa mit einer Schafherde? Oder einem Gespräch? Haben sie Konturen? Tochter: Sei nicht albern. Ich kann doch kein Gespräch zeichnen. Ich meine Dinge Vater: ....meinst du Warum geben wir Dingen Konturen, wenn wir sie zeichnen?, oder meinst du, dass die Dinge Konturen haben , ob wir sie nun zeichnen oder nicht? Tochter: Ich weiss nicht, Pappi. Sag du es mir. Was meine ich? Spannend in unserem Zusammenhang ist das Nichteingehen von Beatson auf die Antwort der Tochter, dass sie Dinge und nicht Gespräche meint und damit widerspruchlos Zeichen (Töne und Schrift) ausschliesst.
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III Die Kunst übernimmt die Zeichen zwecklos und spielt mit ihnen, seit Paul Klee, den russischen Konstruktivisten bis Henri Michaux und der amerikanischen Popart, ganz abgesehen von den unbestritten grossartigen, aber in genauen Grenzen arbeitenden Kalligraphen.
IV Die feierlichen Geographien der menschlichen Grenzen
Die Bilder löschen die Welt aus. Sie haben keine Vergangenheit. Sie kommen aus keiner früheren Erfahrung. Man weiss mit Sicherheit, dass sie metapsychologisch sind. Sie geben uns eine Lektion der Einsamkeit.
V Seit man entdeckt hat, dass das Sichtbare in seiner prägnantesten Gestalt hervortritt, sobald es sich entfernt und Abstand und Umriss gewinnt, ist vieles anders.
Aber drinnen, keine Grenzen mehr (Jean Tardieu)
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VI Für die Schriftsteller und stellvertretend für die andern Künste sagt es Beckett: Da ich nicht weiss, wie sprechen, da ich nicht sprechen will, muss ich sprechen. Niemand zwingt mich dazu... das ist ein zufälliger Umstand, das ist eine Tatsache.
VII
Das Leben ist wahrscheinlich rund, schrieb van Gogh. Angenommen wird, dass Bilder der vollen Rundung uns dazu verhelfen, uns um uns selbst zu versammeln, uns von innen her zu bestätigen. Von innen aus, ohne Aussengestalt, könne das Dasein nur rund sein. Der Vogel, sagt Michelet, sei ganz kugelförmig. Ein höherer Grad von Einheit lasse sich nicht finden, ein Übermass an Konzentration mache die grosse Stärke aus, enthalte aber als soziale Schwäche seine Isolierung.
Muschel, Ei, Embryo: das Runde auf der einen und auf der andern Seite: der Winkel, Keim des Hauses und der Zimmer. Sie begrenzen, zäunen ein, bilden Rahmen. Die höfische und die bürgerliche Gesellschaft, die mit Bildern ihre Wohnungen und Räume schöner und interessanter zu machen versuchten, hängten an die Wände auf Rahmen aufgespannte Leinwände, die zur Abrundung in kunstvolle Rahmen eingefasst wurden. Die in der Renaissance in den Bildern auftauchenden Landschaften öffneten, in imaginierten Räumen, ein erträumbares Anderswo.
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© Urs Jaeggi / Website: Universes in Universe |