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Internationale Kulturkonferenz "Identität versus Globalisierung?"

Kulturelle und kulturpolitische Dimensionen der Globalisierung
(Mitteilung der Heinrich Böll Stiftung)

Zeit und Ort:
Eröffnungsveranstaltung:
20. Januar 2005, 17:30-21:00 Uhr,
Großer Theatersaal Haus der Kulturen der Welt, Berlin

Konferenz
21. / 22. Januar 2005, jew. 9:30 - 18:30 Uhr,
Großer Theatersaal im Haus der Kulturen der Welt, Berlin

Information und Kontakt:
Andrea Peschel, andrea@boell-brussels.org, Tel +49.30.400 48 482, Fax +49.30.417 23 395

Anmeldung:
Per E-Mail unter IvG-Konferenz@boell.de, oder per Fax unter +49-30-28534-109

Konferenzbeitrag:
15,00 Euro, ermäßigt 8,00 Euro. Bitte überweisen Sie den Konferenzbeitrag auf das Konto der Heinrich Böll Stiftung, Kontonr: 30 76 701 bei der Bank f. Sozialwirtschaft, BLZ: 100 205 00, Verwendungszweck (bitte unbedingt angeben): IVG-Konferenz . Der Konferenzbeitrag kann auch in bar bei der Konferenz entrichtet werden.


Hintergund

Die Debatte um Globalisierung und Kultur

Die permanente weltweite Präsenz gleicher Konsumgüter, Bilder und Lebensentwürfe ist ein Merkmal kultureller Globalisierung. Unmittelbar evident wird dies in einer Homogenisierung der Alltags- und Populärkultur, zum Beispiel in der Popmusik, der Mode, in Filmen. Die kulturelle Vereinheitlichung oder Angleichung verläuft dabei nicht überall gleich, sondern westliche/globale Produkte werden je nach lokalem Kontext durchaus unterschiedlich aufgenommen, konsumiert, interpretiert und integriert.
Homogenisierung bedeutet aber auch die Vernetzung von Kulturen durch Medien und digitale Kommunikationstechnologien: der schnelle und weltweite Informationsaustausch erschwert Abschottungen, erhöht die Transparenz politischer Prozesse und macht es möglich, dass Menschen transnationale Interessengruppen bilden und als solche auch agieren können. Allerdings herrschen sowohl im Zugang zu diesen Technologien als auch im Informationsfluss starke Asymmetrien zwischen dem "Süden" und dem "Norden" aber auch innerhalb einzelner Gesellschaften.

Gleichzeitig ist ein Prozess der zunehmenden Hybridisierung (oder auch Kreolisierung) zu beobachten. Dieser Begriff beschreibt die Vermischung und Verwandlung verschiedener Traditionen, Stile und Ästhetiken, aus der neue Formen entstehen. Die Hybridisierung stellt an sich kein neues Phänomen dar, vielmehr ist die Entwicklung von Kultur ohne sie nicht denkbar. Neu ist allerdings das Ausmaß und die Geschwindigkeit der Vermischung.

Schutz der kulturellen Vielfalt – Aufgaben der Politik

Dass durch die zunehmende Homogenisierung in der Kultur lokale Bräuche und Lebensweisen, traditionelle Kunstformen bis hin zu Sprachen von Minderheiten vom Verschwinden bedroht sind, weil sie sich den globalen Marktgesetzen nicht anpassen lassen oder durch ein gewandeltes Konsumverhalten in der Bedeutungslosigkeit versinken, ist eine der Folgen der Globalisierung, welche die internationale und nationale Politik zum Handeln aufruft. Dort, wo die kulturelle Vielfalt und eine vielfältige Medienlandschaft - als Voraussetzung für eine demokratische Kultur - bedroht sind, muss es möglich sein, dass nationale und regionale Kulturpolitik die eigenständigen kulturell-künstlerischen Ausdrucksformen in ihrer Vielfalt vor einem allzu großen internationalen ökonomischen Druck schützt. In vielen Entwicklungsländern sind bspw. kleine Radiostationen das einzige Medium für politische Bildung und die Verbreitung lokaler kultureller Inhalte. Besonders in solchen Ländern ist der Schutz vor einer Konzentration der Medienmacht von großer Bedeutung. Kulturpolitik, die das kulturell Eigene, lokal Authentische schützt, muss allerdings dort begrenzt werden, wo sie zu Abschottung und Ausgrenzung führt oder von autoritären Regimes kontrolliert und instrumentalisiert wird.
Die Vereinten Nationen haben in der Millenniumserklärung den Schutz der kulturellen Vielfalt zu einem der Grundwerte für die internationale Politik des 21. Jahrhunderts erklärt und ihm die gleiche Bedeutung wie dem Schutz der biologischen Vielfalt zuerkannt. Seit 2003 ist die UNESCO beauftragt, eine "Konvention zum Schutz der kulturellen Vielfalt" bis Ende 2005 auszuhandeln und vorzulegen, um zu einer Weiterentwicklung der Normensetzung in diesem Themenbereich zu kommen.


Kulturelle Globalisierung und bildende Kunst

Da diese Konferenz im Kontext der Ausstellung "Identität versus Globalisierung? Positionen zeitgenössischer Kunst aus Südostasien" steht, gilt unsere besondere Aufmerksamkeit auch der bildenden Kunst. Die Möglichkeit der Aneignung von neuen Bildern und Symbolen, neuen Medien und Ausdrucksformen wird besonders von KünstlerInnen überall auf der Welt wahrgenommen und in ihrer Arbeit umgesetzt. Dies spiegelt die Ausstellung, die derzeit im Museum Dahlem in Berlin zu sehen ist, in eindrucksvoller Weise wider. Sie zeigt die intensive künstlerische Auseinandersetzung mit den verschiedenen Aspekten der kulturellen Globalisierung, reflektiert die Chancen zur Öffnung und Bereicherung, aber ebenso auch empfundene Bedrohungen und Ängste.
Die von Künstlern wie Kunsteinrichtungen viel konstatierte Krise der Repräsentationsfähigkeit von Kunst für "die" Kultur einer bestimmten Nation, Region, und die entschiedene Abkehr der Künstler von verschiedenen Formen der Selbstethnisierung und Ethnisierung des ‚Anderen‘ und ihre damit verbundene Warnung vor dem Ethnomarketing unterstützt die These von einer zunehmenden Interkulturalität von Kunst und Kultur.
Gleichzeitig gibt es viele Gründe, die Risiken und Bedrohungen für das nachhaltige Bestehen und die Weiterentwicklung der enormen Vielfalt von Traditionen und Kulturen und deren künstlerischen Ausdrucksformen zu benennen sowie vielfältige Strategien zu ihrem Erhalt zu entwerfen. Diese Position will mehr als nur eine Kritik der Ideologie des Globalismus, der zur ästhetischen Vorliebe von Kultur-Eklektikern und deren Geschmacksattitude verkommen ist. Sie nimmt für sich das Recht auf Differenz zum letztlich wieder Uniformen des Interkulturellen und Hybriden in Anspruch. Die diversen Wege zu einem gleichberechtigten Nebeneinander und Miteinander von (globalisierter) Moderne und Vor- oder Postmoderne können nur über Kompromisse aus Annäherung und Distanz gefunden werden, und zwar nicht in Folge hierarchischer, dominanter Ordnungssysteme, sondern selbst bestimmt. Für die Wahrnehmung von Kunst und Kultur bedeutet dies, weiterhin auch an Grenzen dessen zu stoßen, was ohne ‚Übersetzung‘ verstehbar und integrierbar ist.
Ist es möglich, genau diesen kulturellen Zwischenbereich zwischen Nähe aus Interesse und Verstehen und andererseits Distanz in Anerkennung des nie ganz verstehbaren Anderen zu einem zentralen, produktiven Thema für Kunst und Kultur zu machen? Was hieße das für das Darstellen/Ausstellen und für die Wahrnehmung und sprachliche Vermittlung von inner- und außereuropäischer Kunst?


Ziele der Konferenz

Die Konferenz der Heinrich-Böll-Stiftung ist ein wichtiger Schritt, sich in den noch lange anhaltenden Prozess der Reflexion des komplexen und höchst widersprüchlichen Verhältnisses von Kultur und Globalisierung einzumischen und ihn weiter zu vertiefen. Diese internationale, interdisziplinäre Konferenz ist selbst Teil von "kultureller Globalisierung". Die für jeden spürbaren Ambivalenzen von kultureller Globalisierung sichtbar zu machen und die damit verbundenen, scheinbar unlösbaren Konflikte zum Sprechen zu bringen und nach Wegen zu suchen, Widersprüche und auch Paradoxien produktiv zu machen, steht hier im Mittelpunkt des Interesses der Heinrich-Böll-Stiftung.
Die vom Regionalbüro Südostasien der Heinrich Böll Stiftung organisierte Ausstellung "Identität versus Globalisierung? Positionen zeitgenössischer Kunst aus Südostasien", die bis zum 30. Januar 05 im Ethnologischen Museum Dahlem zu sehen ist, stellt einen Vermittlungs- und Verständigungsversuch innerhalb einer Region dar, in der auf dichtem Raum sehr viele Menschen mit sehr verschiedenen Religionen, politischen Systemen und Kulturen miteinander agieren (müssen), um im globalen Wettstreit konkurrenzfähig zu sein.
Ein wesentlicher Teil der Konferenz wird sich mit der Rolle und Funktion der Kunst befassen, und steht auch im Zusammenhang mit der Frage, wo und in welcher Weise Kunst zwischen Kulturen vermitteln kann und will.

Die Heinrich-Böll-Stiftung wird zu dieser Konferenz eine Reihe in- und ausländischer Expertinnen und Experten aus den Bereichen Wissenschaft, Politik, Kultur und bildende Kunst einladen. Zusammen mit ihnen wollen wir

- In einem vergleichenden Verfahren versuchen zu analysieren, wie sich die kulturelle Globalisierung in den Regionen Westafrika, Südostasien, Arabischer Naher/Mittlerer Osten und Europa auswirkt, was als Chance oder Risiko gesehen wird und wie diese Einschätzungen sich in den Regionen auswirken. Dabei geht es uns auch darum, dem hauptsächlich deutschen Konferenzpublikum ein differenziertes Bild der Auswirkungen und Antworten in einzelnen Regionen zu vermitteln. Es ist uns wichtig, dem vielbeschworenen "Kampf der Kulturen" die Chancen der Eigenständigkeit und kulturellen Vielfalt entgegenzusetzen.

- untersuchen, ob und in welchem Maße die kulturelle Globalisierung zu einer Demokratisierung führen kann. Dabei wollen wir Beispiele aus den verschiedenen außereuropäischen Regionen präsentieren, die zeigen, wie Globalisierungsprozesse zu mehr Mitsprache und Mitbestimmung führen können oder zur Entwicklung völlig neuer und eigenständiger kultureller Ausdrucksformen

- die Rolle der Kunst in Zeiten der kulturellen Globalisierung diskutieren. Dabei werden wir besonders Fragen nach dem Wandel künstlerischer Inhalte und Praxen, nach der politischen Bedeutung und Lesbarkeit bildender Kunst nachgehen. Untersucht werden soll zudem die Diskrepanz zwischen grenzübergreifender Kunst, kultureller Vernetzung und dem souveränen Nationalstaat mit seinem Grundprinzip der Staatsbürgerschaft, der nach wie vor völkerrechtlich das Ordnungssystem der Welt konstituiert.

- politische Handlungsmöglichkeiten und bestehende Ansätze analysieren. Dabei geht es uns einerseits darum, ein genaueres Bild davon zu gewinnen, an welchen Punkten die Politik gefragt ist und ansetzen sollte, aber auch um die Frage, was die Errungenschaften, die Stärken und die Schwächen und Gefahren der derzeit diskutierten (und auch bereits existenten) Kulturpolitiken auf nationaler und internationaler Ebene sind.

 

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