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Universes in Universe: Singapur erhebt den Anspruch,
auf dem Weg von einer verarbeitenden Wirtschaft zu einer auf Wissen
und Innovation basierenden zu sein, die ihre Entsprechung in einem vielfältigen
und dynamischen, weltoffenen kulturellen Leben findet. Ist die Entscheidung,
eine solche Biennale zu veranstalten, in diesem Kontext zu sehen?
Lee Suan Hiang: Da wir uns im Übergang von der Industriegesellschaft
zu einer auf Wissen basierenden, durch Innovation bestimmten Phase der
Entwicklung befinden, ist es notwendig, dass die Menschen hier ihr Kapital
an Imagination entfalten, über den Tellerrand hinausschauen, querdenken,
kreativ und erfindungsreich sind. Tatsächlich trainieren die Künste
auf sehr wichtige Weise die Imagination, bringen die Leute dazu, überkommene
Konventionen in Frage zu stellen, auf neue Weise zu denken und neue,
andere Dinge zu tun. Die Biennale hat die Menschen auf vielfältige
Weise dazu gebracht, so manches auf eine andere Art zu betrachten, so
z.B. Aspekte des Glaubens. Die verschiedenen Kunstwerke und Ausdrucksweisen
stehen für die Vielfalt, die die Realität der heutigen Welt
ausmacht.
Die Biennale hat zwar gerade erst begonnen, doch lässt sich bereits
erkennen, dass sie eine Menge Leute anspricht und deren Phantasie anregt.
Sicher hatten viele Einwohner von Singapur zuvor nichts mit zeitgenössischer
Kunst zu tun, doch da die Werke an so vielen Orten in der Stadt zu sehen
sind, kamen viele von ihnen mit der Biennale in Kontakt, nicht nur als
Publikum, sondern auch direkt als freiwillige Helfer.
Aber es sei betont, dass die Biennale im Grunde schon zwei Jahre zuvor
begonnen hat. Sie ist als ein Weg konzipiert und nicht als ein zu erreichendes
Ziel, sie soll ein Prozess sein, der die Leute hier und aus anderen
Ländern an das aktuelle Kunstgeschehen heranführt. Durch die
Encounters in Vorbereitung der Biennale und die Art und Weise ihrer
Organisation, z.B. die Einbeziehung so vieler reliöser Stätten,
ist es uns gelungen, unterschiedliche Segmente der Bevölkerung,
sowohl junge wie auch ältere Menschen, zu erreichen. Das alles
ist mit einem Lernprozess verbunden, bei dem die Leute lernen, was es
mit einer solchen Biennale auf sich hat und etwas vom gegenwärtigen
Kunstdiskurs mitbekommen.
Die Biennale ist also facettenreich, vieldimensional, berührt
die Menschen auf verschiedene Weise. Wir wollten sie nicht nur für
die Künstler und die internationalen Besucher ausrichten, sondern
sie soll insbesondere auch den Menschen hier etwas bringen und von ihnen
als wichtig empfunden werden, und ich denke, das ist tatsächlich
der Fall. Zum Beispiel ein Techniker, der die Ausstellung mit aufgebaut
hat, war so begeistert, dass er sogar seine Großmutter mitbringen
wollte. Als ich am Sonntag in der Kirche war, kam eine Dame und gratulierte
mir zur Biennale. Sie sagte, sie sei so begeistert davon und so stolz
darauf und so glücklich darüber, dass in dieser Stadt so etwas
passiert.
Doch stehen wir erst am Anfang, bei dieser Biennale
haben wir noch einige Wochen vor uns, und wir können natürlich
nicht erwarten, alles was wir uns vorgenommen haben mit nur einer solchen
Veranstaltung zu erreichen. Aber es ist Meilenstein, denn sie hat die
Wahrnehmung vieler Menschen schon verändert. Anderswo in der Welt
wird Singapur vor allem als effiziente Geschäfts- und Wirtschaftsmetropole
wahrgenommen. Ich denke, diese Biennale wird wesentlich dazu beitragen,
dass Singapur auch als dynamisches und kreatives Land gesehen wird,
in dem man seinen Spaß haben kann. Wir denken, Kunst und Business
bereichern sich gegenseitig. Wir wollen eine globale Geschäftsmetropole
mit von überall herkommenden Talenten sein. Und global agierende
Talente und Geschäftsleute wollen in einem Umfeld tätig sein,
in dem es gutes Essen, guten Wein, gute Musik und gute Künste gibt.
Dafür braucht man die magische Anziehungskraft der Künste.
Die Biennale ist eine von den Veranstaltungen, mit denen wir ein solches
Image promoten. Sie ist ein internationales Ereignis, das viele Besucher
aus Übersee anzieht. Ich denke, in dieser Hinsicht haben wir es
geschafft, alle möglichen Interessengruppen zu beeindrucken.
UiU: In der Biennale gibt es eine Reihe auffällig starker Werke
von Künstlern aus Singapur, z.B. von Ho Tzu Nyen und Donna Ong.
Welche Auswirkungen erwarten Sie von dieser internationalen Ausstellung
für die Kunstszene Ihres Landes?
Lee: Die Biennale ist für die hiesigen Künstler
eine hervorragende Plattform, um mit Kolleginnen und Kollegen aus anderen
Ländern zu interagieren und größere internationalen
Aufmerksamkeit zu erlangen. Darüber hinaus erwarte ich, dass das
Publikum in Singapur offener für neue Kunstauffassungen wird. Eine
solche Interaktion wird neue Ideen hervorbringen und zur Stärkung
des Kunstgeschehens in Singapur beitragen.
UiU: Sie sind Vorstandsmitglied der IFACCA (International Federation
of Arts Councils and Culture Agencies) und Vorsitzender der asiatischen
Sektion. Denken Sie, dass die Biennale die Position Singapurs als Vermittler
zwischen Südostasien und dem internationalen Kunstgeschehen stärkt?
Lee: Wir wollen eine einzigartige globale Stadt der
Künste sein und um das zu erreichen. können wir nicht nur
die einheimische Bevölkerung im Blick haben. Wir wollen die Kunst
Singapurs in der Welt bekanntmachen, aber auch die Kunst der Welt zu
uns holen. Unsere Geschichte und unsere geographische Lage erlauben
es uns, auf sinnvolle Weise vernetzt zu sein. Wir sind mehr östlich
als der Westen und mehr westlich als der Osten. Wir sind ein multiethnisches,
multikulturelles, multireligiöses Gemeinwesen, und hier leben Asiaten
unterschiedlicher Herkunft. Aus all diesen Gründen gibt es gute
Voraussetzungen dafür, dass die Biennale die Verknüpfungen
unserer Region mit der internationalen Kunstszene wesentlich fördert.
UiU: Welche Erwartungen haben Sie hinsichtlich möglicher wirtschaftlicher
Effekte der Biennale?
Lee: Hinsichtlich der Kunst bemühen wir uns immer um eine ganzheitliche
Herangehensweise: Kunst der Kunst wegen, Kunst fürs Geschäft
und Kunst für die Gemeinschaft. Das ist so etwas wie unser ABC.
Da sich unser Land entwickelt sich, wohlhabender wird und physische
Armut erfolgreich lindern kann, wollen wir uns jetzt mehr der Armut
an Zielsetzungen widmen. Junge Menschen haben heutzutage mehr materielle
Möglichkeiten, reisen öfter, kommen mit anderen Ideen in Kontakt
und wollen demzufolge auch mehr Raum für den eigenen Ausdruck und
für die Selbstverwirklichung haben, um ihren eigenen Träumen
nachzugehen. Deswegen ist die Kunst der Kunst wegen ein wichtiger Teil
unseres sozialen Ökosystems. Sie gehört zur Seele des Landes
und unterstreicht die ureigenen Werte des künstlerischen Schaffens.
Der zweite Teil unseres Programms sind die mit der Kunst verbundenen
ökonomischen Aspekte. Auf dem Weg von der industriellen zur mehr
durch Innovation bestimmten Entwicklungsphase müssen die Leute
kreativer, innovativer und phantasievoller werden. Kunst ist in dieser
Hinsicht ein wichtiger Katalysator. Desweiteren erbringt die Kunst auch
wichtige wirtschaftliche Beiträge in kreativen Industriezweigen,
wie dem Medienbereich und den angewandten Künsten. Wir haben die
Absicht, den Anteil solcher kreativen Wirtschaftsbereiche am Bruttosialprodukt
von derzeit 3% auf 6% zu steigern. Auch diesbezüglich ist die Biennale
hilfreich, um Singapur in der Welt bekanntzumachen.
Gleichzeitig wollen wir auch die Rolle der Kunst bei
der Entwicklung unseres Gemeinwesens stärken. Indem die Geschichte
Singapurs durch die Künste erzählt wird, können wir sie
von einer Generation zur anderen weitergeben und in diesem Prozess den
Menschen ein Gefühl von Stolz vermitteln, die nationale Identität
entwickeln und helfen, die Vergangenheit zu bewahren und die Zukunft
zu definieren. Wenn wir keine eigene Kunst hätten, wenn wir das
anderen Menschen überlassen würden, etwa dem Fernsehen oder
den Hollywoodfilmen, werden diese anderen bestimmen, wie wir uns selbst
zu sehen haben. Deswegen spielt die Kunst eine wichtige Rolle in der
sozialen Entwicklung, bei sozialen Zusammenhalt, bei der Entwicklung
des Gemeinwesens sowie bei der Bewahrung der Verganheit und der Bestimmung
der Richtung für die Zukunft.
(Aus dem Englischen: Binder & Haupt) |
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